Das muss man sich einmal vorstellen. Der Kunde, etwas unsicher, tritt an den Bankschalter, hüstelt verlegen und gesteht: "Ich brauche dringend Geld." Der junge Mann hinter dem Tresen ist ganz Eifer: "Sie möchten Geld anlegen? Mit unseren Sparbriefen oder attraktiven Tagesgeldzinsen . . ." "Nein", wehrt der Mann ab. "Ich möchte nichts anlegen. Ich habe kein Geld. Ich brauche Geld." Darauf der eifrige junge Mann: "Sie möchten Geld anlegen? Mit unseren Sparbriefen oder attraktiven Tagesgeldzinsen . . ." "Hören sie mir überhaupt zu?", unterbricht der Kunde leicht gereizt, und auf die Antwort: "Hört, hört, wer stört?", verlässt er sehr gereizt und auf Nimmerwiedersehen die Schalterhalle.
Was im Alltag besorgte Fragen nach dem Geisteszustand des Menschen hinter
dem Schalter auslösen würde, mutet www.netbank.de ihren Kunden mitmaximalen Ladezeiten und minimalem Augenzwinkern ("ich lerne noch")
als Beratungsleistung eines Chatterbots zu. Das ist eine neue Spezies
von Netzbewohnern, die, wie es heißt, schon bald den größtenTeil der Kommunikation zwischen Unternehmen und ihren Kunden abwickeln
sollen. Mit großem Erfolg tut das angeblich heute schon der kybernetische Berater "Yoda" auf www.lucasarts.com, der Computerspielern
mit Tipps und Hilfen zur Seite steht. Bei näherer Betrachtung wird
aus dem pfiffigen Lehrmeister aller Jedi freilich ein simpler Entscheidungsbaum,
den man auch mit einem dicken Stapel Karteikarten "programmieren"
könnte.
Wenn die "chatterbots" trotzdem ein ganz heißes Thema
im Netz sind www.
toptown.com/hp/sjlaven/ oder www.rhoen.de/pauki
/work/diplom/diplom04.htm, dann hat das einen einfachen Grund: Viele
Unternehmen, die sich Wunderdinge vom e-commerce erwartet haben, stellen
ernüchtert fest, dass auch im Internet Computer die Geschäfte
nicht unter sich abwickeln, sondern dass hinter den Bildschirmen der Kunden
echte lebendige Menschen sitzen, die Fragen haben, überredet werden
wollen und die von einer teuren künstlichen Intelligenz übersetzte
Gebrauchsanweisung nicht verstehen. Die schreiben unentwegt E-Mails oder
rufen pausenlos an - und machen so die schönsten Rationalisierungsberechnungen
zunichte.
Dem sollen die Chatterbots entgegenwirken. Ob sie das können, steht
auf einem anderen Blatt. Wer sich ein bisschen in der Geschichte des Computers
auskennt, hat schon einmal von Joseph Weizenbaums "Eliza" gehört.
Dieses Programm (online-version etwa http:
//home.t-online.de/home/juergen.kahrs/eliza. html) simuliert recht
überzeugend das Gespräch eines einfühlsamen Psychiaters
mit seinem Patienten. Überzeugender jedenfalls als der digitale Anlageberater
oder Lucas-Arts Yoda ihren jeweiligen Job. Eliza hat nur zwei Fehler:
Erstens ist sie, auch wenn sich das ungalant anhört, schon steinalt:
Ihr Geburtsjahr ist immerhin 1964. Noch gravierender freilich ist, dass
Weizenbaum seine berühmte Tochter längst verstoßen hat:
Nie, so beteuert der Informatiker zu jeder Gelegenheit, sei Eliza als
ernsthafter Beitrag zur "Künstlichen Intelligenz" gedacht
gewesen, er hätte sich nur einen Spaß machen wollen.
Auch wenn es schwerfällt: Irgend jemand wird das wohl Elizas Enkeln einmal sagen müssen.
Schon in ein oder zwei Jahren, so sagt man uns, werden das Internet und das Fernsehen miteinander verschmelzen. Das Fernsehprogramm kommt dann über schnelle Internetzugänge ins Haus - soweit wir überhaupt noch ein Programm brauchen. Jeder macht sich dann sein Programm selbst, schaut hier in eine Nachrichtenübersicht und fordert da einen Videofilm an, genau dann wann er ihn sehen will. Anschließend kauft er dann am Bildschirm die Produkte, die im Film gefeatured werden, Ehrensache.
Mag sein, daß es so kommt. Mit Internet hätte die Veranstaltung dann allerdings nichts mehr zu tun. Eher mit Videovertrieb auf einer neuen Technikschiene, und ob die jemals leistet, was man verspricht, ist doch noch sehr fraglich. Die Übertragung von Videos in ordentlicher Qualität erfordert viel Bandbreite und enorme Übertragungsleistungen. Wenn in einem dichtbesiedelten Gebiet abends gegen 9 jeder Haushalt sein eigenes Movie anfordert, oder gar zwei, geht jede denkbare Leitung in die Knie. Und wie Videoübertragungen über unzureichende Verbindungen aussehen, weiß ja dank www.bigbrother-haus.de inzwischen jeder.
Da es aber offenbar den größten Nachteil des real existierenden Internets darstellt, daß dort jeder sich seine Information und Unterhaltung, Bilder und Töne selbst zusammensuchen kann (und muß), hat eine Truppe Jungunternehmer jetzt ein Verfahren ausgeknobelt, das die Nachteile von Fernsehen (dämliches Programm) und Internet (ungeeignet zur Direktübertragung) genial kombiniert und keck behauptet: It's not a bug - it's a feature. Auf www.datango.de nehmen sie die "ich bin drins" an die Hand und schleusen sie in 2-4 minütigen Thementouren über ein paar Server - freilich erst dann, wenn man die zugehörige Zusatzsoftware installiert hat. Dann hört man die mehr oder weniger professionelle Stimme eines "Webjockeys", der/die einem von gelegentlichen Aussetzern unterbrochen sagt, was man da sieht und davon halten soll, während die Seiten auf dem Bildschirm vorbei rauschen. Anhalten oder gar rauf- und runterscrollen kann man während dieser Vorführung nicht - dafür gibt es aber eine Software zum Download, mit der man selbst solche "Webrides" zusammenstellen kann.
Web-TV zum Ausschalten. Ich will raus.
Wann war das, als die Bildzeitung sich den Kopf darüber zerbrach, ob Mallorca praktischerweise nicht einfach der Bundesrepublik beitreten könnte? Vor oder nach der Wiedervereinigung? Ist ja auch egal: Im Internet ist www.mallorca.de längst eingemeindet, mallorca.com übrigens auch - nur mallorca.es ist noch zu haben, ist halt zu weit weg von hier aus. Weiter weg als www.fincaferien.de jedenfalls, oder www.balearen.de, oder www.baleares.de, oder www.balear.de - Ballermann läßt grüßen. Den gibts auch, gleich zweifach, als ballermann.de und komplett als ballermann6.de, beide aber nur als Baustelle mit ungewissen Aussichten für die Zukunft.
Die Deutschen reisen wie die Weltmeister, ihre Flüge buchen sie kostenbewußt
bei mcflight.com oder tiss.com, das Hotel kaufen sie bei hotel.de, hotel-tip.de
oder urlaub.de und wenn man genauer hinschaut, dann fahren auch nicht
alle nach Mallorca.
Bei www.schlittentour.de geht es, ja, Sie haben's erraten, nach Norwegen,
wo es besonders nördlich ist, und keiner soll glauben, die Firma
hätte das Monopol auf Hundegespanne: bei http://www.interlog.com/~sriehl
/Labrador.html werden Leute, die schon Hundeschlittenerfahrung haben,
für eine Tour durch Ostkanada gesucht, und beim http://home.t-online.de/home/husky_college/
gehts nach Alaska - und das, während wir hier den Sommerurlaub planen.
Aber für Sonnenfreunde gibts natürlich auch was. http://www.tenafricatours.com/ zum Beispiel liegt auf einem Server im feuchtkühlen Bochum und spezialisiert sich, was man unter diesen Umständen gut verstehen kann, auf Safarireisen im südlichen Afrika. Übrigens eine der wenigen Sites, die begriffen haben, daß ihre Besucher vielleicht nicht nur Werbebanner von Billigfliegern sehen wollen, sondern auch ein paar Bilder aus der Gegend. Und dieser Sonnenuntergang mit Java-Wellen...
Dann gibt es noch www.annatours.de. Die klingen so harmlos, bieten aber vor schlangengeschlängeltem Hintergrund "interessante Dschungeltouren und knochenhartes Survival-Training" im Urwald von Surinam. Wenn das mal bloß bei den von der Reiseleitung geplanten Abenteuern bleibt.
Wesentlich ruhiger reist es sich da mit dem Webangebot von verreisen.de. Dort geht es weniger ums Buchen, als um die Information, und eine enorme Reihe von kommentierten Links zu allerlei Ortschaften und Sehenswürdigkeiten sowie Thementouren (z.B. "Wein, Berge und Burgen") bieten dem eingefleischten Netizen soviel Anreize zum Reisen auf dem Bildschirm, daß er am Ende auf die körperliche Ortsveränderung ganz verzichten kann.
Nun möchte ich aber wirklich gerne wissen, wie sich die Milliarden-Schäden berechnen, die die "Love-letter"-Attacke der vergangenen Woche verursacht haben soll. Love-Letter hat zwar diverse Mailrechner für ein paar Stunden stillgelegt und damit hier und da auch den Zugang zu elektronischen Kaufhäusern blockiert - da die gegenwärtig aber auf jeden Dollar Umsatz 20 Cent oder mehr Verlust machen, können sich die Betreiber eher entlastet fühlen.
Auch Schäden durch gelöschte Daten sollten sich in Grenzen halten.
Mit bemerkenswerter Selektivität hat Love-Letter nämlich nur
solche Dateien gelöscht oder versteckt, die auf kommerziellen Systemen
eigentlich gar nicht vorkommen sollten (die Musikdateien MP3 und MP2)
oder zumindest keine tragende Rolle spielen wie JPEG und andere Bildformate.
Grund zur Beruhigung ist das nicht, im Gegenteil: Wenn man sich vorstellt,
Love-Letter hätte sich ebenso zielsicher die DOC, XLS odet PPT-Dateien
vorgenommen, in denen viele Rechner aktuelle Geschäftsinformationen
ablegen - die Schäden wären enorm.
Fragt sich, warum er es nicht getan hat. Technische Hindernisse gibt es nicht, hier war Absicht am Werk. Auf der Suche nach den üblichen Verdächtigen geraten natürlich gleich die Hersteller von Virenschutz ins Blickfeld, deren Aktien in den Tagen nach dem Angriff um bis zu 20% zulegten. Die waren's aber sicher nicht: Love-letter hat verdeutlicht, daß Virenschutzprogramme bei der heutigen Dichte des e-Mail-Verkehrs immer um ein paar entscheidende Stunden hinter dem Virus selbst herlaufen. Erst kommt der Virus, dann überschwemmen die Warnungen das Netz - und dann erst kommen die Updates der Virenkiller.
Fast möchte man glauben, Love-Letter sei eine Art "letzte Warnung"
an die Computerwelt gewesen, mit dem gegenwärtigen gedankenlosen
Umgang mit der Technik aufzuhören. Vernetzte Computer sind eben nicht
nur bessere Schreibmaschinen, und auch Schreibkräfte müssen
so geschult werden, daß sie wissen, welche Schäden ein kleiner
Fehlgriff anrichten kann - und wie man ihn vermeidet.
Aber wie soll der Mensch vor dem Bildschirm wissen, daß DOC (meistens)
gut und VBS (unter Umständen) böse ist - wenn sein Rechner ihm
voreinstellungsmäßig gar nicht zeigt, womit er es da zu tun
hat? Wie kann man verhindern, daß ein Virus das Adressverzeichnis
ausbeutet, wenn die Anwendungen so tief im Betriebssystem integriert sind,
daß niemand alle Schleichwege kennt, die da unter der Oberfläche
verlaufen? Zumal der Hersteller auch noch ein Geheimnis daraus macht.
Klar ist es praktisch, daß auf vielen Bürosystemen "alles
aus einer Hand" kommt und Hand in Hand zusammenarbeitet. Inzwischen
wird auch klar, wie hoch der Preis ist, den wir für diese Art der
Integration zu zahlen haben.
Das klingt unapetittlich, und so ist es auch. Die Rede ist von den WebWanzen
(Web-Bugs), die auf immer mehr harmlos erscheinenden Internetseiten entdeckt
werden, und die einem den Online-Spaß ganz schön verderben
können. (http://www.heise.de/newsticker/data/ame-
19.06.00-000/)
Still und heimlich übermitteln sie Userdaten und andere in den Cookies
auf dem Rechner gesammelten Informationen an irgendeine Werbezentrale,
wo sie dann in großen Datenbanken zu Bewegungsbildern oder Nutzerprofilen
aufbereitet werden. Kein potenzieller Kunde soll dem Werbenetz entgehen.
Daß Werbebanner dazu genutzt werden, die Betrachter der damit verzierten Seiten auszuspionieren, ist schon länger bekannt. "Unsere Besucher nehmen das in Kauf- schließlich ist unser werbefinanziertes Angebot für sie auch kostenlos" heißt es von Seiten der einschlägigen Anbieter - nun ja. Die Technik jedenfalls ist simpel: Das Banner wird beim Aufruf einer Seite von Altavista oder Hier-gibts-etwas-umsonst.de nämlich nicht vom Server des Anbieters abgerufen, sondern von einem besonderen Bannerserver eines Werbeunternehmens, und in diesem Aufruf läßt sich eine Menge an Information unterbringen: Aufrufende Seite, Zeit des Aufrufs, IP-Adresse, Inhalt von cookies....
Die gleiche Technik nutzen große amerikanische Anbieter wie RealNetworks, Quicken, HealthCentral und Travelocity in Verbindung mit unsichtbaren Minigraphiken. Die bauen sie für teures Geld auf ihren Seiten ein und erschließen so den Werbezentralen reichhaltige Zusatzinformationen. Besonders pikant ist es, wenn die Wanzen sich auf Seiten einnisten, auf denen man einen Namen oder eine Kreditkartennummer eingeben muß. Damit können die Werbezentralen nämlich die in der Regel nur statistisch nutzbaren Informationen auch einzelnen Surfern zuordnen und so personalisierte Userprofile erstellen. Spätestens hier wird die Schnüffelei zum unerträglichen und wohl auch unzulässigen Einbruch in die Privatsphäre.
Glücklicherweise kann man einiges dagegen tun - gute Ratschläge finden sich u.a. auf http://www.winmag.com/fixes/webbugs.htm . Je nach Temperament und Talent kann man auch Gesetze gegen den Unfug fordern oder die Bannerserver mit Hackermethoden ärgern. Am wirkungsvollsten ist es aber wahrscheinlich, wenn man prinzipiell keine persönlichen Informationen eingibt und einfach nichts kauft auf Seiten, die nicht erklärtermaßen wanzenfrei sind.
Ich kaufe meine Brötchen jedenfalls nicht in einem Laden, wo die Kakerlaken über die Wände laufen.
Natürlich muß man nicht alles wörtlich nehmen, was die großen Chefs der großen Acht da am letzten Wochenende auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Okinawa zur Verbesserung des Zugangs der "3.Welt" zum Internet Schönes beschlossen haben. Nachzulesen ist die "Charta der globalen Informationsgesellschaft" übrigens auf http://www.g8kyushu-okinawa.go.jp/e /documents/it1.html Trotzdem ist es merkwürdig, daß die Charta gerade im Internet vielfach mit Hohn überschüttet wurde: Sollen erst mal dafür sorgen, daß die Leute "da unten" genug zu essen haben.
Das sieht wie eine notdürftig modernisierte Fassung alter Vorurteile aus. Aber auch in entlegenen Weltgegenden sitzen die Leute heute entschieden öfter vor dem Monitor als auf Bäumen. Mit Ausnahme einiger Katastrophenländer wie Sudan oder Somalia sind selbst die Länder Afrikas, des angeblichen "schwarzen Loches" im Internet, kein uniformer Elendsbrei, sondern in sich sozial hoch differenziert. Da gibt es nicht nur schmale Macht-Eliten, die übrigens zum Teil ziemlich bildungsfeindlich sind, sondern auch einen zahlenmäßig nicht unbedeutenden Mittelstand, dessen Angehörige erkannt haben, welchen Wert Bildung für ihr weiteres Fortkommen hat - und daß ohne Computer und Internet gar nichts mehr geht. Das strahlt bis dahin aus, wo unsere verwöhnten Augen nur noch das Elend wahrnehmen - so zu besichtigen auf der Website des kenjanischen Mji wa Huruma, des "ersten Slums im Internet ( http://www.pips.at/huruma )
Es muß aber nicht gerade Slum sein. Mindestens ebenso aussagekräftig ist ein "ethnischer Server" wie http://www.edo-nation.net . Und ein Blick auf das Angebot des größten Providers in Azerbeidjan (die Adresse ist der Einfachheit halber http://www.az) oder auf die Website der Regionalregierung des mexikanischen Djungel-Staates Chiapas ( http://www.chiapas.gob.mx ) läßt vermuten, daß die Bedeutung des Internets in Ländern mit schwacher Infrastruktur schon heute eher größer ist als bei uns - und das nicht nur für Wirtschaft und Verwaltung. Gerade in Chiapas haben die sozialen Bewegungen - Stichwort "Zapatistas" - das Internet in den letzten Jahren intensiv genutzt, um ihre Position im Inland auszubauen und durch Publizität im Ausland abzusichern. Mit beträchtlichem Erfolg. Das sieht man nicht nur daran, daß es heute kaum noch Katastrophenmeldungen aus Chiapas gibt. Auch die Website der Frente Zapatista muß nicht mehr auf Universitätsservern in den USA rotieren, sondern hat mit http://spin.com.mx/~floresu/FZLN eine ganz reguläre mexikanische Adresse hat.
Ob den Chefs der Großen Acht gerade diese Entwicklung als leuchtendes Beispiel vor Augen stand, ist eher zweifelhaft. Aber dafür, daß die Bedeutung der Kulturtechnik Internet in mancher bitterarmen Weltgegend klarer erkannt wird als hierzulande, lassen sich im Web genug Beispiele finden.
Die Mitte des Monats über uns hereinbrechende Olympiade in Sydney wird auch im Internet zum Ereignis. Vor vier Jahren (Atlanta) war das Netz noch kein massenhaft genutztes Medium, so gesehen stehen wir also vor einer Premiere. Das offizielle Olympia (www.olympics.com/eng/ und www.olympics.de) macht freilich nicht allzu viel daraus. Die lizenzenbewußten Bosse des IOC (www.olympic.org) haben die "Verwertung" der Spiele im Netz streng reglementiert. Wer sich auch nur in die Nähe von Markenzeichen wie "Olympia" oder "Olympics" traut, muß mit saftigen Abmahnungen rechnen, und die Ausstrahlung von Video-Bildern im Netz ist, soweit das IOC das kontrollieren kann, zugunsten der Inhaber der Fernseh-Lizenzen fast ganz untersagt (www.heise.de/newsticker/data/jk-30.08.00-010/) Kein großer Verlust angesichts einer WebVideo-Technik, die seit Jahren viel verspricht und wenig hält.
Unter diesen Umständen dürften wie schon zur Winterolympiade von Nagano vor zwei Jahren die Websites am Rande des Geschehens (damals z.B. www.ssctnet.or.jp/zui/no-olympic/english/) für viele Websurfer interessanter sein als die offiziellen Schauplätze. Auch in Sydney gibt es wieder eine anti-olympische Bewegung (www.cat.org.au/aoa/) die einem zwar klar macht, warum manche leute gegen das Spektakel sind - aber nicht, warum denn alle anderen auch darauf verzichten sollen.
Immerhin erfährt man auf diesem Wege
etwas über die geplanten Aktionen der Aborigines zur Olympiade. Sie
wollen den globalen Medienauftrieb dazu nutzen, die Aufmerksamkeit der
Welt auf die Apartheid australischer Machart zu lenken (wwww.trib.com/HOMENEWS/SPORTS
/Sydney_Aborigin.html)
Mir zumindest war es neu, daß Aborigine-Eltern bis in die 70er Jahre
damit rechnen mußten, daß ihnen - etwa beim Besuch eines Kinderarztes
- ihr Kind einfach weggenommen wurde, um es in weißer Umgebung zu
einem "richtigen Menschen" zu machen. (http://seattletimes.nwsource.com/news/nation-world
/html98/altabor07_20000707.html). Da gibt es große Erbitterung.
Kein Wunder daß das FBI zur Olympiade auch Hackerattacken im Netz
erwartet. (http://www.nipc.gov/warnings/assessments/2000
/assess00-051.htm)
Allemal weniger aufregend ist demgegenüber, was sich ein fixes deutsches Werbebüro aus Anlaß der Olympiade ausgedacht hat. Unter Webadressen wie www.sydney.de oder www.olympiade.de kommt man zu einem Portal, das vor allem die Funktion hat, potentielle Kunden für Versicherungen oder Kredite einzufangen. "Nice try" denkt sich da der Surfer, und klickt weiter.
Lügengeschichten, Verschwörungstheorien und andere Absonderlichkeiten haben in den USA eine ehrenwerte Tradition, die weit in die Zeit vor dem Internet und den "Net Hoax" zurückreicht. Bei "http://www.about.com" finden sich in den Abteilungen "urban legends" und "conspiracies" Listen von Hunderten mehr oder weniger gut gelungen Exemplaren der Spezies. Die Sites mit Nachrichten über UFOs sind Legion - einen guten Einstieg biete das Global UFO-Net auf http://www.v-j-enterprises.com/ufolista.html . Auf unserer Seite des Atlantik führen Ufos, Kornkreise und Erdlichte eine wenig beachtete Randexistenz im Umkreis von Esoterik und Parapsychologie (z.B. http://www.sphinx-suche.de) - wir nehmen halt immer alles so schrecklich ernst.
Das soll sich jetzt ändern, wenn es nach den unbekannten Hintermännern von http://www.loq12.de geht. Auf ihrer absolut professionell gemachten Site werden neben den Dauerbrennern wie Roswell oder Philadelphia-Experiment täglich neue Verschwörungstheorien und Gerüchte ausgebreitet - vom angeblichen Mißgeschick einer Relaistation, die bei einer Fernsehübertragungen aus dem Vatikan und der eines Pornokanals den Soundkanal vertauschte, bis zur Webcam aus dem Grab der armen Diana of Kent. Ein Net Hoax, wie aus dem Bilderbuch. Nicht fehlen darf auch die Drohung eines Bösewichts aus der Wiener Homosexuellenszene, der mit der Veröffentlichung einer Liste von Prominenten droht, die in Wirklichkeit Heteros seien.
Und da eine moderne Website ohne einen Rückkanal für die Besucher undenkbar ist, kann man auch per Knopfdruck seine Stimme zu einer brennenden Frage abgeben. Jetzt am Donnerstag wurde gefragt: "War jemals ein Mensch auf dem Mond?" Die drei möglichen Antworten: "Ja, klar doch", "Nein, alles ein Fake" und "Ja, aber nur auf der dunklen Seite".
Der kommerzielle Hintergrund der Seite ist beim Blick auf die Links in der Fußleiste unübersehbar - trotzdem uneingeschränkt vergnüglich. Viel besser und jedenfalls viel ehrlicher als das Treiben jener Finsterlinge, die Websiten mit gefälschten Informationen ins Netz stellen, um Börsenkurse zu manipulieren.
Die Grundwelle der Kommerzialisierung, die derzeit im Internet das unterste zuoberst kehrt, hat auch das genuine Webgewächs des Net Hoax längst an und mit sich gerissen. Ein Jahr lang waren auf der Site http://www.blairwich.com erstaunliche Dinge zu lesen über drei Studenten, die in den Wäldern Marylands auf mysteriöse Weise verschwunden waren. Besser gemacht als die meisten okulten Geschichten im Web, aber genau in der richtigen Tonlage, und wie die anderen Sites des Genres nur innerhalb der Szene beachtet. Nun sind die Blairwitches im Kino und lassen die Kassen klingeln: Der Hoax war Bestandteil einer raffinierten Werbekampagne. So kann man selbst erfundene Geschichten fälschen - da ist mir doch fast noch die Sphinx-Suche lieber.
heißt siegen lernen, dachten sich wohl die Bertelsmänner und -frauen, und drum verbündeten sie sich von einem Tag auf den anderen mit der Internet-Musiktauschbörse, die bis gestern noch Prozessgegner war. Die Rechnung könnte aufgehen, denn Napster hat etwas, was den meisten anderen e-Businesses bitter fehlt: Einen Grund, im Netz zu sein.
Als vor Jahren der erste Pizzabäcker ins Netz ging, kalauerten die Netizens: "Toll - und was meint ihr, wie das Geschäft erst brummt, wenn sie auch über die Leitung liefern". Damit bewiesen die Spötter mehr Verstand als all die Wirtschaftsfachleute und Venture-Kapitalisten, die beim bloßen Wort "Internet" schon die Geldströme fließen sahen - in ihre Taschen, versteht sich. Natürlich macht es Sinn, daß Neckerquell seinen Katalog auch ins Netz stellt - schließlich kann man nie genug davon verteilen, und eine ordentliche Logistik hat man schon seit Jahrzehnten. Doch wo es bei der Lieferung klemmt, hilft "online" wenig. Amazon-Kunden singen ein garstig' Lied davon.
Am stärksten ist der Netzkommerz da, wo er anbietet, was auch über das Netz geliefert werden kann. Die Softwerker machen damit gute Geschäfte - die Musikbranche, die am höchst profitablen, aber auch definitv überholten Geschäftsmodell Schallplatte festhalten will, bekam von Napster und Co. die Quittung: Die Musikfreunde gehen selbst ins Netz und schieben Dateien über die Flatrate, daß die Leitungen rauchen. Und sie tauschen nicht nur Dateien - sie können Leute kennenlernen, mit denen sie gemeinsame Musikinteressen verbinden. Neben dem Fenster für Dateitransfer steht auf dem Bildschirm das Fenster zum Quasseln. Es wird genutzt, man trifft sich.
Auch andere, die begriffen haben, was es mit dem Netz auf sich hat, stehen nicht schlecht da: Versteigerungen im Internet funktionieren bestens, vor allem dann, wenn es nicht darum geht, etwas noch eine Mark billiger als im nächsten Kaufhaus zu ergattern, sondern z.B. ein seit Jahren gesuchtes seltenes Stück zur Abrundung einer Sammlung aufzustöbern. Da darf die Lieferung aus Kanada oder Japan sogar etwas dauern. Allerdings bietet wohl gerade diese Branche nur einem Global Player Platz. Das mußte, schon wieder, Bertelsmann dieser Tage erfahren, als sie ihren kümmernden Online-Auktionator Andsold zugunsten einer Kooperation mit Marktführer eBay aufgaben.
Kommerziell ein paar Klassen niedriger angesiedelt,
dafür aber ganz besonders netzig stellt sich z.B. parsimony.de
dar. Dort finden die Netizens das, was sie anscheinend am meisten suchen:
In derzeit über 60 000 Diskussionsrunden und noch einmal 40 000 Gästebüchern
gibt es Kommunikation, Kommunikation und noch einmal Kommunikation.
Das Netz verbindet Menschen, nicht Anbieter und Käufer. Wo Anbieter
menschlich auftreten und Käufer Menschen sein dürfen, kann es
auch mit dem Kommerz klappen. Wo nicht - das Experiment Bertelster wird spannend.
Aktuell zusammengestellt:
Netgeschichten zu staatlicher Regulierung und kommerzieller Okkupation des Netzes.
Gefilterte Freiheit - wie das Netz zum "sauberen" Kanal für den Kommerz gemacht werden soll.
© für alle Texte:
Dr. Michael Charlier