Compuerspiele haben Konjunktur. Wie sehr, das sieht man in jeder Fußgängerzone, wo die entsprechenden Läden die Videotheken abgelöst haben, und in jedem Kaufhaus, wo sich die Games-Kartons auf den Verkaufsflächen breitmachen, die von einer austrocknenden Musikszene freigegeben werden.
Aber was tut der Computerspieler, wenn er einmal rettungslos stecken geblieben ist und nicht mehr vor und zurück weiß? Ganz einfach: Er konsultiert eine Cheat- Site, einen Mogel-Server, da bleibt keine Frage offen und kein Rätsel ungelöst.
Das Angebot ist wohlsortiert. Auf htttp://www.the-spoiler.com/type.html ist die Spielewelt fein säuberlich in Kategorien wie Adventure oder Action eingeteilt, und jede davon enthält, nach Firmen geordnet, hundert oder mehr Lösungen zu Einzelfragen oder für ein ganzes Spiel. Fast noch umfangreicher ist das Sortiment von http://www.gamenexus.com. Die Lösungen - oft werden für ein Spiel mehrere Texte von verschiedenen Autoren angeboten - stammen übri gens in der Regel von Aktivisten der Spieleszene und nur selten von den Herstellern, die lieber aus dem Verkauf von Cheat-Books ein Zusatzgeschäft machen.
Auf den Serverndes Cheate Elite WebRing (http://www.thecheatersguild.com/webring) sorgen strenge Regeln dafür, daß kein entnervter Spieler, der nur einen kleinen Wink (nudge) in die richtige Richtung haben will, unversehens an einen spoiler gerät, der eine komplette Lösung enthüllt und damit den ganzen Spaß verdirbt. Selbstverständlich wird genau unterschieden zwischen Besprechungen, die nur einen allgemeinen Eindruck wiedergeben, aber sonst nichts verraten, und Walkthrus, die Ungeduldige Schritt für Schritt durch ein ganzes Spiel führen. Richtige Literaten sind da gelegentlich am Werk, die ein Spiel so fesselnd und so geschickt nachzuerzählen verstehen, daß das Lesen sogar dann Vergnügen machen kann, wenn man das Spiel gar nicht kennt.
Weniger Anspruchsvoll geht es in der Cheats Database auf http://www.gamesdomain.co.uk/cheats/ zu. Hier werden keine Rätsel gelöst, sonder die Tricks gesammelt und ausgebreitet, mit denen man die Regeln eines Spieles umgehen oder verfälschen kann. Teils handelt es sich dabei um bewußt eingegbaute, aber unveröffentlichte Cheat-Codes, mit denen man sich etwa in der Wirtschaftssimulation ein nie versiegendes Bankkonto zulegen kann, teils wohl auch um Programmierfehler, die bei bestimmten eher unwahrscheinlichen Eingaben die erstaunlichsten Resultate hervorbringen.
Mit dem, was das Internet an Hilfen bietet, ist auch der unerfahrene Spieler allen Herausforderungen gewachsen. Eine Warnung allerdings ist fällig: Während seit einiger Zeit Spiele fast alle in deutsch herauskommen, ist der Mogler darauf angewiesen, daß er im Englischunterricht nicht gemogelt hat.
"Windows für Waschmaschinen" galt als Kalauer - bis jetzt Bill Gates München besuchte und die leitendenHerren von Siemens davon überzeugte, daß die Welt gerade darauf noch gewartet hat. "Windows for Atomic Clocks" gibts dagegen schon länger - wer will kann die Software für ein paar Dollar unter www.parsonstech.com bestellen, und wer sich ein bißchen mit den Freeware-Quellen (hier z.B. empfehlenswert: http://tucows.iwebstudio.com/sync95.html) im Internet auskennt, kann Programme, die keinen gar so schönen Namen haben, aber mehr oder weniger das gleiche leisten, auch ganz umsonst bekommen.
Und das beste dabei ist: Man muß noch nicht einmal eine Atomuhr im Keller neben der Waschmaschine stehen haben, um mit dieser Software etwas anfangen zu können. Windows for Atomic Clocks und ein halbes Dutzend ähnlicher Programme sind Clients für das Net Time Protocoll (NTP, Info auf http:// wwwcs.cern.ch/wwwcs/public/ip /ntpp.html), einen der weniger bekannten Dienste im Internet, der keine andere Aufgabe hat, als die exakte Zeit über das Netz zu verbreiten. Sobald der NTP-Client feststellt, daß sein Rechner am Internet hängt, nimmt er Verbindung zum voreingestellten NTP-Server auf. Dieser Server wird tatsächlich von einer Atomuhr gesteuert und gibt ständig die caesium-genaue Zeit samt ein paar Zusatzinformationen über Zeitzone, Sommerzeit und dergleichen in ein handliches Signal verpackt ins Internet. Der Client sammelt diese Zeitpakete auf und synchronisiert sich mit dem fernen Server, bis er alle Laufzeitdifferenzen herausgerechnet und die korrekte Zeit ermittelt hat. Dann vergleicht er sie mit der meistens energisch vorrennenden oder dröselig hinterherlaufenden Systemuhr, stellt sie richtig, und verabschiedet sich für die nächste Stunde oder auch für den nächsten Tag - alles Einstellungssache.
Nicht jeder hat Lust, sich sein System mit einer zusätzlichen Anwendung zu belasten. Für solche Puristen gibt es Angebote, die die exakte Zeit bloß im Browser anzeigen und auf Knopfdruck einmalig die Systemuhr richtig stellen (z.B. http://www.harborside.com/home /d/dalesr/atomic-clock.html). Manchmal funktioniert es sogar.
In Deutschland steht die amtliche Atomuhr übrigens bei der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig, die unter http://www.ptb.de/deutsch/org/4/43/hp.htm über ihren gesetzlichen Auftrag zur Herstellung und Verbreitung der amtlichen Zeit informiert. Die Bundesanstalt betreibt allerdings keinen öffentlichen NTP-Server, sondern vertreibt ihr Zeitsignal hauptsächlich über den Langwellensender DCF 77 in der Nähe von Hanau. Wer keinen Internetzugang hat, kann es mit einem Spezialempfänger auffangen und in den Rechner einspeisen. Wer auch keinen Computer hat, muß trotzdem nicht verzweifeln: Funkgesteuerte Weckeruhren sind schon in der Preislage von DM 24,90 zu haben, auch Armbanduhren, eher dick und häßlich, sind im Angebot.
In Frankreich wird es ein ganz großes Ereignis: Am 20. und 21. März findet auf Initiative der französischen Gesellschaft für das Internet eine große "Fete de l'Internet" (www.fete-internet.fr) statt - und alles, was Rang und Namen hat im Lande, macht mit. Die Regierung schickt ein Grußwort, die Nationalversammlung präsentiert ihre Web-Aktivitäten, große Finanzinstitute und Unternehmen der Informationstechnik und des elektronischen Handels führen Aktionen und Präsentationen an vielen Orten durch. Fernsehsender (auch der französische Zweig von "Arte") machen in stundenlangen Sondersendungen das Netz und seine Anwendungsmöglichkeiten zum Thema.
Einige Angebote der "Fete" werden nur für die wahrnehmbar sein, die schon im Netz sind - z.B. die virtuelle Feier des Frühlingsanfangs, der rund um den Globus von einer Serie von 24 Web-Cameras im Bilde festgehalten werden soll. Andere sind ganz und gar zum Anfassen wie die Multimedia-Caravane, die einen vollen Monat lang durch die Provinz zieht, um auch dort, wo Fuchs und Hase sich gute Nacht sagen, die frohe Botschaft von Real Audio und Quickt ime zu verkünden. Ein gewisser missionarischer Impetus ist unverkennbar. Die Franzosen sind in den letzten Jahren etwas in den Ruf von Web-Muffeln geraten - dem wollen Regierung und Wirtschaft mit vereinten Kräften entgegenwirken. Und natürlich geht es wieder einmal um eines der heiligsten Güter der Nation: Die französische Sprache, die auch im anglophilen WorldWideWeb Anspruch auf Weltgeltung erhebt.
Obwohl die Idee zu dieser Internetfete also definitiv nicht aus den USA kommt, hat sie auch hierzulande Anklang gefunden - wenn auch in deutlich bescheidenerem Maßstab (www.internetfete.de). Organisator der ebenfalls für den 20. und 21. 3. terminierten Veranstaltung ist eine Initiative von Web-Bewohnern und -Bewirtschaftern in Berlin, mit von der Partie sind das Institut Française, das Haus der Kulturen der Welt und die hauptstädtische Zweigstelle der Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung. Ein Grußwort gibt es bislang noch nicht einmal vom Regierenden Bürgermeister. Das ist alles deutlich institutionenferner als in Frankreich - und eben gerade dadurch ein Stück näher an der real existierenden Netzkultur.
Statt der globalen Frühlingsfeier der Franzosen übertragen die Webcams der deutschen Internetfete Bilder von der Hannovermesse CeBIT, das Institut Française gibt Gelegenheit zu einem Online-Sprachtest Französisch, und das Bach-Haus Eisenach veranstaltet einen Online-Quiz zum großen Johann Sebastian, weil der am 21.3. Geburtstag hat. Berliner Internet-Treffpunkte laden - selbstverständlich auch "in real life", also nicht nur über das Netz - zum "Tag der offenen Tür".
Ob das alles die langen Lade- und Wartezeiten wert ist, die erfahrungsgemäß meistens m it dem Besuch von Webfeten verbunden sind, steht noch dahin. Ein Besuch auf der Website der Fete und ein paar ihrer Mitwirkenden lohnt sich aber auch zu anderen Zeiten: Gegenüber dem langweiligen Einerlei, das viele deutsche Webangebote kennzeichnet, zeigen hier ein paar Könner, wie es anders geht.
Das Gute am WorldWideWeb ist,daß dort jeder schreiben und ausstellen kann, was er will, keine Redaktion und keine Regierung kann ihm dazwischenpfuschen. Das Schlechte am WorldWideWeb ist, daß dort jeder schreiben und ausstellen kann, was er will...
Wenn man die ausgetretenen Pfade zwischen Info-Servern, anerkannten Entertainern und dem electronic commerce einmal verläßt, hat man leicht das Gefühl, auf einer planetarischen Müllhalde gelandet zu sein - Schlimm und Schrott soweit das Auge reicht. Besonders bei den persönlichen Homepages, deren Einrichtung die Online-Dienste ihren Mitgliedern so überaus großzügig ermöglichen, gibt es Sachen, die gibt es gar nicht.
Man kann das ignorieren, schließlich ist niemand verpflichtet, die mittlerweile an die 250 Millionen Webseiten persönlich aufzusuchen, und die meisten werden ja auch nur von ihren Urhebern und deren bedauernswertem Freundeskreis gesehen. Man kann aber auch die schlimmsten Albträume, die einen nächtens auf dem Bildschirm heimsuchen, an öffentlichen Plätzen zur allgemeinen Abschreckung oder Erheiterung zur Schau stellen, und genau das tun Websites mit Namen wie"Webs most idiotic Websites" (www.cyberstation.net/~munkachy/crap.html), "The WWW Hall of Shame" www.rt66.com/smcinnis/new/hos/index.html) oder "Useless Pages" (www.go2net.com/internet/useless/),
Einige davon hätten selbst einen Ehrenplatz
auf dem Schrottplatz verdient, etwa "Warthogs of the Web" (www.i23.com/ugly),
wo man sich einen Spaß daraus macht, Bilder von, sagen wir mal:
nicht so ganz dem gängigen Schönheitsideal entsprechenden Leuten,
aus dem Net zu fischen und zu einem Horrorkabinett zusammenzustellen.
Andere dagegen sind Meister der scharfen Beobachtung und der Realsatire,
unvergleichlich "The cruel Site of the Day" (www.cruel.com),
wo man täglich eine neue "Grausamkeit" des Netzes ausstellt:
Eine ästh etische, eine politische oder intellektuelle - oder aber
auch eine Webseite, auf der man gnadenlos mit derlei abrechnet. Z.B. www.negia.net/~skepticx/Moby-Dick-Code.htm
- wo ein wacher Zeitgenosse den "Bibelcode" von Michael Drosnin
ad absurdum führt, indem er nach der gleichen Methode jede Menge
blutrünstige Prophezeiungen aus Melvilles "Moby
Dick" zutage fördert.
Auch in Deutschland haben sich inzwischen einige Websites dem Recycling des Cybermülls verschrieben. Gut gemacht und hervorragend getextet ist "Die endgültige Müllseite" (http:// www.freunde.imperium.de/muell/muell.htm) von Jürgen Graf. Dort finden sich auch Links auf andere Vertreter der Gattung. Die meisten sind einen Besuch wert.
Lambdas, Kappas, Alphas, Sigmas
die Dirac-Gleichung schwebt vorbei
Der Kosmos schrumpft in sich zusammen
und verwandelt uns in Brei.
Nein, ich willnicht ungerecht sein: Diese Verse auf auf http:// physik.phy.tu-dresden.de /~preusse/ged.html sind nicht typisch für die aktuelle Webliteratur deutscher Naturwissenschaftler. Doch immerhin: Unter den ersten zehn Treffern, die Altavista auf die Suche nach "meine Gedichte" auf deutschsprachigen Webseiten anzeigt, kommen drei von Servern naturwissenschaftlicher Universitätsinstitute, und die nähere Inspektion des Angebotes verstärkt den Eindruck, daß es mit dichtenden Wissenschaftler n eine ganz besondere Bewandnis habe. Aber auch auf außeruniversitären Servern werden Reime geschmiedet, daß die Fetzen fliegen, und bei Angelsachsens gehören die sogenannten "poetry sites" zu den beliebtesten, aber nicht gerade geschmackvollsten, Anlaufstellen auf dem Web.Die "Ruhmeshalle" von www.poets.com, Ziel der Wünsche zahlloser ungedruckter Poeten, meldet stolz mehr als 7000 Besucher täglich.
Es gibt aber auch und gerade im deutschenWebspace eine ganze Reihe von Künstlern der "kleinen Form", die das digitale Medium in seiner Eigenart und seinen besonderen Möglichkeiten nutzen. Viele von ihnen haben als großes Vorbild die "konkrete Poesi e" Ernst Jandls, die zwar ursprünglich auf Papier entstanden ist, sich aber auch in digitalisierter Form höchst wirkungsvoll darbietet, wie man der gelungenen CD-ROM "Ottos Mops trotzt" entnehmen kann.
Der "konkrete Web-Poet" Olaf Koch hat auf seinem "Kochweb" zum 70sten Geburtstag Ernst Jandls eigene und fremde Gedichte zusammengestellt, die dem Vorbild und Anreger verdienten Tribut zollen. (http:// www.well.com/user/olafkoch /nav-home.html). Es lohnt sich aber auch, den anderen Arbeiten Kochs einen Blick zu schenken oder eines seiner "Gedilme" (Ergebnis einer Kreuzung von Gedicht und Film) downzuloaden.
Ebenfalls empfehlenswert ein Besuch bei Günther Melzer (http://www.melzer.de/home), der mit seiner "lakomischen Poesie" zeigt, wie gut Internet-Dichtung sein kann und mit vollem Recht fordert: "Zum Teufel mit all den Verschrecktexten von Christian Ahaha Wyzkotzix". Und immer wieder anregend ein Blick auf www.pegasus98.de - den Treffpunkt der Teilnehmer am Internet-Literaturwettbewerb, der in diesem Jahr schon zum 3. mal stattfindet. übrigens unter reger Beteiligung von Naturwissenschaftlern, die in den beiden Vorjahren immerhin drei Preisträger stellten.
Das Tagebuch, mit goldenem Schlüsselchen vor neugierigen Blicken geschützt oder unter der Matratze versteckt - das war einmal. Heute stehen Tagebücher im World Wide Web, wo Millionen mitlesen könnten und manchmal tatsächlich Tausende mitlesen. Die Idee kommt, wie so vieles im Web, aus den USA. Dort scheint es Unmengen solcher öffentlicher Tagebücher zu geben, allein unter http:1/www. webring.org/cgi-bin/webring?ring-diary&list sind an die 500 Adressen angezeigt. Die Handvoll, die ich mir angeschaut habe, sahen zwar eher nach Herz-Schmerz aus und machten einen reichlich naiven Eindruck, es gibt aber sicher auch andere.
Hierzulande scheinen die anderen in der Mehrheit zu sein. Allerdings gibt es auch lange nicht so viele. Der bisher einzige deutsche Webring für Tagebücher - ein Webring eröffnet Leuten mit gemeinsamen Interessen die Möglichkeit, ihre lnternet-Auftritt pflegeleicht miteinander zu verknüpfen - ist unter http:1/www.melody.de/wellenbrecherl/ zu erreichen und erschließt gerade einmal 19 Teilnehmer.
Die meisten davon sind ganz und gar nicht naiv: Das Tagebuch bildet hier nur die Kulisse für ein lustvolles Spiel mit der Öffentlichkeit, nicht nur das Mitlesen, auch die prompte Reaktion und Rückmeldung der Mitleser ist eingeplant, und die der anderen Tagebuchschreiber ganz besonders. Die vielen Anspielungen und Bezüge zwischen den Tagebüchern machen es dem Außenstehenden manchmal etwas schwer; stellenweise wirkt das ganze fast wie ein kooperatives Schreibprojekt.
Der Besuch lohnt sich trotzdem, und ganz besonders bei den genial verrückten "Eiersalat und Olivenöl" auf http:1/www. Snafu.de/~ei.olive und Walt G.Lipps Feldbusch-Chronik (http://www.wortbestand. de/bunch.htm). Eines der Tagebücher von "Wellenbrecher" ist übrigens tatsächlich ein kooperatives Schreibprojekt: Unter http:1/www.koblenz.de/ kultur/tagebuch/index.htm lädt die Jugendkunstwerkstatt Koblenz Menschen unter 27. dazu ein, einen oder viele Ihrer Tage aufzuschreiben und ins Netz zu stellen. Da kommen bemerkenswerte Dinge zum Vorschein, auch von Leuten, die sonst nicht im Net zu sehen sind.
Nach wie vor gibt es aber auch Tagebücher der sehr persönlichen Art wie das von Claudia Klinger, die unter http:// www.snafu.det/klinger'glueck/nrdiryfs.htm ihr Leben nach dem Abschied von der Zigarette beschreibt und dabei unter den freundschaftlichen Zurufen eines zahlreichen Publikums einen Balanceakt zwischen privat und öffentlich vorführt, daß man nur noch staunen kann.
Jetzt hat es auch Altavista (www.altavista.com) erwischt. Seit ein paar Tagen präsentiert sich das, was früher "nur" eine Suchmaschine war, im modischen Portal-Look. Das Abfrageformular für die Volltextsuche ist einigermaßen an den Rand gerutscht, und den weitaus größten Raum auf der ersten Seite nehmen nun Stichwortlisten ein, die den Websurfer auf kürzestem Wege ans Ziel seiner Wünsche zu bringen versprechen: Zum Gebrauchtwagenmarkt, den Erziehungstips für gestresste Eltern oder den Schulaufgabenhilfen für ihre gestressten Kinder.
Nur auf den ersten Blick sieht das so aus, als ob sich damit auch beim schärftsten Konkurrenten der Ansatz von Yahoo (www.yahoo.com) durchgesetzt hätte. Der erschließt die unüberschaubaren Informationsmassen auf inzwischen an die 500 Millionen Webseiten durch eine Art systematisches Inhaltsverzeichnis, das den Wissensdurstigen über Naturwissenschaften / Biologie / Zoologie / Tiere / Insekten/ zielsicher zu Hennings Insektenseite (http://home.t- online.de/home/lindigkeit. kbstein/) führt, die man auf Altavista mit 12546 Treffern für das Suchwort "Insekten" so schnell kaum gefunden hätte.
Doch während Yahoo zumindest in der amerikanischen Ausgabe auf möglichst umfassende Informationserschließung, wenn nicht sogar auf Vollständigkeit abzielt, regiert auf den Stichwortlisten der Portalseiten das Prinzip Auswahl. Denn deshalb heißen sie "Portale": Sie sollen den Surfer nicht lange aufhalten, sondern ihm Wegweiser aufstellen, die ihn an die nützlichsten, unterhaltsamsten, abgefahrensten, coolsten Plätzen im Web führen - oder was die Redaktion dafür hält. Hauptsache, möglichst viele Websurfer nutzen den hier gebotenen Eingang - das treibt die Anzeigenpreise in schwindelerregende Höhen, und das ist alles, was zählt.
Die meisten alteingeführten "Suchmaschinen" haben im Zuge dieser Entwicklung ihren früheren Charakter weitgehend verloren und erscheinen inzwischen fast wie Webmagazine, die ihren Besuchern nicht mehr das Finden von dem erleichtern, was sie selbst suchen, sondern die sie mit ausgesuchten Häppchen füttern. Informationsangebote, die nicht im modischen Mainstream mitschwimmen, haben hier bestenfalls noch einen Platz im Kuriostitätenkabinett.
Zusätzlich fördern die Portale die Segmentierung des Netzes. Die Alltagstips, die beispielsweise Infoseek (www.infoseek.com) in den Mittelpunkt seines Angebots stellt, sind außerhalb der USA ziemlich uninteressant. Konkurrent Lycos hat als einer der ersten die Konsequenz daraus gezogen und sich vervielfacht: als lycos.com, lycos.de, lycos.fr, lycos.it und lycos.se zerlegt er das Angebot des globalen Netzes in nationale Parzellen, auf denen man glatt vergessen kann, daß es noch anderes auf der Welt gibt.
Nun ja, solange niemand gezwungen ist, das Web durch eines dieser Portale zu betreten, ist das alles nur halb so schlimm. Und vielleicht wollen es viele auch gar nicht anders: Die Kunden der großen Online-Dienste wie T-Online, Compuserve oder AOL werden von ihrer Software per mehr oder weniger fest eingestellter Vorgabe durch das jeweilige Portal ins Internet geschleust. Ihrem Aufstieg zu den größten Internet-Providern hat das nicht geschadet.
Das Ende des Internet liegt bei http://opaldata.com/the_end/index.html - zumindest, wenn man das Web aus nordamerikanischer Sicht betrachtet. Der Netzknoten, an dem der Server mit dieser Seite hängt, steht nämlich auf Neufundland, und er ist der einzige in ganz Nordamerika, der gar kein Knoten ist, sondern einsam und allein am Ende einer Stichleitung steht. Damit unterscheidet sich dieses Ende des Internets von einer ganzen Menge anderer Seiten mit dem gleichen Anspruch (z.B. http://members.tripod.com/~ mam2 /the-end.htm, http://hollender.org/erik/vip.62.html, http://www.tema.ru/misc/dead_end.html, http://www.nwlink.com/~kingdice/ba.html), die aber nicht wirklich an einer Sackgasse liegen, sondern nur so tun: Sie enthalten bloß keinerlei Links nach irgendwo, so daß der einzige Weg zurück in bewohnte Gefilde dann über den Back-Buttons des Browsers führt.
Da hat sich Walt G. Lipp schon etwas mehr einfallen lassen, wenn er in seinem blaugefliesten literarischen Badezimmer "Das schreckliche und gar fürchterliche, entsetzlich grauenhafte, total schauderhafte Ende des Internets" verkündet http:// www.wortbestand.de/ende/dasende.htm - mit Links zum Weiterklicken. Andere Webbewohner sehen das Ende gekommen, wenn sie an die Push-Technologie denken (http:// browserwatch.internet.com/ news/story/ browserwatch95.html) oder an aktuelle Entwicklungen im Copyright (http:// www.heise. de/tp/deutsch /inhalt /on /2503/1.html), und manchem, der unversehens auf www.msn.com gerät, entschlüpft ein unwillkürliches "Das ist das Ende des Internets".
Es gibt aber nicht nur das Ende des Internets, sondern auch ein Ende im Internet. Immer mehr Leute hauptsächlich in Nordamerika verspüren den Wunsch, den Tod eines Angehörigen nicht nur im Stadtanzeiger bekannt zu geben, sondern dem Verstorbenen auch einen virtuellen Grabstein im Cyberspace zu errichten. Es gibt zahllose "Memorials" (besonders sehenswert: http://www.kiva.net/~markh/memorial.html, http:// www. generalwww.com/MemorialHTML/ memorialindex.html;), die diese Aufgabe mehr oder weniger geschmackvoll erledigen - gegen angemessene Gebühr, versteht sich. Eine umfassende Sammlung von jenseitigen Links bietet http:// www.katsden.com/death/online.html, sie vermittelt unter anderem den Zugang zum virtuellen Hundefriedhof "Cloud 9" unter http://www.k9haven.org/cloud9/.
Das Ende im Internet hat aber noch eine andere Seite, und der nähert sich Michael Nicklas unter der Adresse http:// www.geocities.com /SoHo/2640 /404-01.htm. Er stellt sich die Frage: Was passiert mit meiner homepage, wenn ich tot bin? - und wenn es eine Seite gibt, die so recht zum November paßt, dann ist es diese. Oder paßt sie wegen der Werbebanner vielleicht doch eher zum Karneval?
Aktuell zusammengestellt:
Netgeschichten zu staatlicher Regulierung und kommerzieller Okkupation des Netzes.
Gefilterte Freiheit - wie das Netz zum "sauberen" Kanal für den Kommerz gemacht werden soll.
© für alle Texte:
Dr. Michael Charlier